Käse-Expertin Susanne Hofmann:

Den ersten Käse haben unsere Vorfahren in der Steinzeit sozusagen ganz zufällig entdeckt – und zwar in den Mägen von Jungtieren, die sie erlegt hatten.

Hier war aus der von den Tieren getrunkene Muttermilch nämlich „Labfrischkäse“ entstanden. Ganz beiläufig entdeckten die Jäger und Sammler in der Steinzeit aber auch, dass sich die in Tiermägen gefüllte Milch beim Transport durch die Bewegung zu Käse verwandelte! Für die „bewusste“ Käseherstellung musste sich die Menschheit erst zu Ackerbauern und Viehzüchtern weiterentwickeln und sesshaft werden. Die Sumerer, die im Zweistromland zwischen Euphrat und Tigris lebten, gelten als die Begründer der professionellen Käseherstellung – und der Vordere Orient als Wiege der Käsekultur. Auf einem bei Ausgrabungen entdeckten Gemälde in einem Tempel wird die Verarbeitung von Milch zu Käse dargestellt. Die ersten Käse waren quarkähnlich, wurden mit Beeren, Kräutern und Gewürzen vermischt und in geflochtenen Körben oder Keramikgefäßen aufbewahrt. In der weiteren Entwicklung wurden die Quarkkäse dann ausgepresst, getrocknet, gesalzen oder geräuchert, um sie länger haltbar zu machen.

Für die alten Ägypter war Milch ein wichtiger Faktor der produzierenden Landwirtschaft, wurde aber selten getrunken, sondern meistens zu Käse verarbeitet.

So finden sich zum Beispiel im Grab von Tuthmosis III. Reliefs mit Melkszenen und Gerätschaften zur Käseherstellung. Und auf einer gut erhaltenen Papyrusrolle mit der Auflistung des Reiseproviants für eine Schiffsreise gibt es bereits den Posten ‚Käse’. Im antiken Griechenland war Käse ein wichtiges Lebensmittel von hohem Wert. So waren auf den Märkten für die Hirten, die dort ihre selbst produzierten Käse verkauften, immer Standplätze reserviert – und es gab bereits Vorschriften, in denen die notwendigen Qualitätskriterien für den zum Verkauf angebotenen Käse festgehalten wurden. Etwa ab 700 vor Christus besiedelten griechische Kaufleute und Händler von Sizilien über Süditalien bis nach Südfrankreich den gesamten Mittelmeerraum – und trugen so auch ihre profunden Kenntnisse über Viehhaltung und Milchverarbeitung weiter. Bei Platon heißt es, dass „die Griechen um das Mittelmeer herumsitzen wie die Frösche um einen Teich“. Und Cicero schrieb, dass sich von Griechenland nach Rom „…nicht ein kleines Bächlein, sondern ein riesiger Strom griechischer Wissenschaft und Kunst“ ergossen habe. So ist es auch nicht verwunderlich, dass gebildete Römer zweisprachig waren und sowohl Römisch als auch Griechisch beherrschten – und das auch das griechische Wissen über die Herstellung von gutem Käse auf die Römer überging. Die Römer waren Meister in der Kunst der Käseveredelung: So gab es zum Beispiel einen speziellen Gewerbezweig, der sich nur mit dem Räuchern von Käse mit Apfelbaumholz und Stroh beschäftigte. Die Römer kannten aber auch bereits keltische und gallische Käsesorten, die über die Alpen, also über die heutige Schweiz und Savoyen, in das Römische Reich gelangten.

Die Germanen waren das erste Volk mit dem Merkmal der Laktasepersistenz, also ausgestattet mit der genetischen Möglichkeit der physiologischen Verwertung von Milchzucker.

Zunächst konnten nämlich die meisten Menschen Milch noch gar nicht verdauen. Nur eine kleine Minderheit verfügte über diese Fähigkeit – aber diese Minderheit wurde Jahrtausende lang von der Evolution derart bevorzugt, dass die Häufigkeit des Merkmals der Laktasepersistenz von nahezu Null auf über siebzig Prozent anstieg. Eigentlich gut nachvollziehbar, liegt der evolutionäre Vorteil doch praktisch auf der Hand: Mit der energiereichen Milch ließ sich die hohe Rate der Kindersterblichkeit nach dem Abstillen reduzieren und Jahre mit schlechter Ernte konnten energetisch ausgeglichen werden: Das Überleben der Menschheit war durch den Genuss von Milch und Käse gesichert! Forscher sprechen in diesem Zusammenhang deshalb auch von dem Gen mit der möglicherweise höchsten positiven Selektion im gesamten menschlichen Genom! Die Germanen bevorzugten übrigens, wie auch die anderen nordischen Völker, Sauermilchkäse – obwohl ihnen die Labkäseherstellung durchaus bekannt war. Die fortschreitende Christianisierung und das Entstehen vieler neuer Klöster förderte die Weiterentwicklung der Landwirtschaft. Die strengen Essensvorschriften der Mönche, vor allem das Gebot, in der Fastenzeit kein Fleisch zu essen, machten den Käse zu einem wichtigen Bestandteil der klösterlichen Ernährung. Man experimentierte mit neuen Käserezepturen, entwickelte zahlreiche Käsesorten und gab das Wissen auch an die Bauern weiter.

So entstand die Kunst der Käseherstellung, die sich vom Orient über Europa bis nach Afrika ausbreitete. Heute gibt es etwa 300 Käse-„Grundsorten“ – und durch die regionale Abwandlung der Rezepturen weltweit über 10.000 Variationen!