Der Selles-sur-Cher ist ein etwa 150 Gramm schwerer, geaschter Ziegenweichkäse aus Rohmilch. Seit 1975 hat er das AOC-Siegel (Appellation d’Origine Controlée) und seit 1996 auch das in der gesamten EU geltende AOP-Siegel (Appelation d’Origine Protégée). Er darf nur in den Départements Cher, Indre und Loire-et-Cher hergestellt werden. Der feine Ziegenkäse hat eine sehr lange Geschichte – schriftlich erwähnt wurde er allerdings erst 1887. Seinen Namen hat er von dem kleinen Ort Selles-sur-Cher, der mitten in der hügeligen, sandigen Buschlandschaft des Départements Loire-et-Cher liegt und der bis heute der geografische Mittelpunkt des Herstellungsgebietes ist. Ursprünglich wurde der Selles-sur-Cher nur direkt auf den Höfen produziert und von den Bauern und ihren Familien selbst gegessen. Aber Kaufleute, die sogenannten „Eiersammler“, die gegen Ende des 19. Jahrhunderts durch die Dörfer der Umgebung zogen, sammelten auf den Höfen landwirtschaftliche Produkte wie Eier, Käse und Butter, um sie in den Städten der Region zu verkaufen. So wurde auch der Selles-sur-Cher weit über die Grenzen der Region bekannt, aus der neben delikatem Ziegenkäse auch beste Weine kommen. Viele Weinbauern-Familien hielten sich Ziegen und stellten Ziegenkäse her, um ihre Erträge zu verbessern. Ab 1870 wurde zudem die Weinproduktion durch die Reblaus stark beeinträchtigt und so sattelten einige Winzer ganz um und spezialisierten sich auf die Ziegenkäseherstellung.

 

Selles-sur-Cher – aus würziger Rohmilch handwerklich und schonend hergestellt

Die hügelige Landschaft rund um Selles-sur-Cher mit ihren kräuterreichen Wiesen ist der ideale Ort für die Alpine Ziege, die in dieser Region eine zweite Heimat gefunden hat und neben der Saaner Ziege mittlerweile Hauptmilchgeber für viele Tonnen Ziegenkäse ist, die in dieser Region hergestellt werden. Die aromatische Rohmilch für den Selles-sur-Cher wird immer noch nach traditioneller Art in kleinen Molkereien und handwerklich arbeitenden Betrieben schonend verarbeitet und direkt nach dem Melken mit Milchsäurebakterien und wenig Lab bei geringer Temperatur dick gelegt. Nach acht bis zwölf Stunden wird der Käsebruch dann ohne Bearbeitung in spezielle Lochformen geschöpft, aus denen die Molke ungepresst abläuft. Dann werden die Käse aus den Formen genommen und haben ihre ganz besondere abgeflachte, konische Form mit einem Durchmesser von 10 Zentimetern und einer Höhe von 2 ½ Zentimetern. Die frischen Ziegenkäse werden „geascht“, das heißt in einer aus verbrannten Rebstöcken hergestellten, gesalzenen Pflanzenasche gewendet. Die Asche hat mehrere Funktionen: Zum einen sorgt sie dafür, dass nur ganz spezifische Peneciliumarten wachsen können – zum anderen ändert sie den Säureabbau und schützt den Käse vor zu schnellem Austrocken. Für die Reifung werden die Käse 2-4 Wochen bei wenig Luftfeuchtigkeit gelagert und können so langsam trocknen. Während des Reifeprozesses bildet sich zunächst ein weißer Milchschimmel, der die Säure im Käse verzehrt. Länger gereifte Käse bilden an der Oberfläche noch zusätzlich Blauschimmel, der dem Roquefortschimmel ähnelt. Dieser Schimmel sorgt für die Aromabildung und es entwickeln sich angenehm-nussige Aromen. Ein gut gereifter Selles-sur-Cher hat einen reinweißen, dichten Teig, schmeckt dezent salzig und wenn er im Mund zergeht, ist er eher feucht, schwer, etwas lehmig und ein wenig süß-säuerlich.

Selles-sur-Cher – für jeden Geschmack der richtige Reifegrad  

Bei uns im Tölzer Kasladen finden Sie eine große Auswahl an unterschiedlich gereiften Selles-sur-Cher: von jung, mild und fein-säuerlich über gereift und nussig bis zu sehr gereift, kräftig und pilzig. Ideal zum köstlichen Ziegenkäse passen die wunderbaren Weine aus der Region, wie ein weißer Sancerre (Sauvingon Blanc) oder ein roter Pinot Noir. 

 

 

Selles-sur-Cher-Carpaccio mit Erdbeeren – unser kulinarischer Schnelle-Küche-Tipp

Für 2 Personen einen relativ frischen Selles-Sur- Cher längs in feine Scheiben schneiden. 125 g Erdbeeren putzen und waschen, die eine Hälfte der Länge nach halbieren, die zweite Hälfte fein würfeln. Erdbeerwürfelchen mit 3 EL Balsam-Fruchtessig (von Feige, Dattel oder Erdbeere) vermischen und 30 Minuten ziehen lassen. 3 EL grob gehackte Basilikumblättchen mit 50 ml Olivenöl pürieren, mit Salz und Pfeffer würzen. Selles-sur-Cher-Scheiben fächerförmig mittig auf zwei Tellern anrichten. Jeweils auf einer Seite die halbierten Erdbeeren mit Basilikumöl beträufelt anrichten, auf der anderen Seite die Erdbeerwürfelchen mit Balsamessig 

Kleiner Exkurs: Frankreich ist das Land der Ziegenkäse

Die Franzosen nennen ihren Ziegenkäse liebevoll einfach nur „Chèvre“, obwohl kein anderer französischer Käse eine solche Vielzahl an Formen und Größen aufweist und als Kegel, Zylinder, Ziegel oder Rolle angeboten wird. Die französischen Ziegenkäse sind in der Regel eher klein, haben unterschiedliche Rindenarten, werden frisch, halb gereift oder steinhart genossen und fast jedes Dorf hat „seine“ eigene Ziegenkäsespezialität. Besonders berühmt als „Ziegenkäseregion“ ist das ansonsten vor allem durch seine Schlösser weltberühmte Val de Loire. Die Regionen Pays de la Loire und Centre entlang der Loire gelten als die Wiege der französischen Ziegenkäsekultur, deren Ursprung allerdings bei den Mauren zu finden ist. Als die Mauren die iberische Halbinsel eroberten, drangen sie auch über die Pyrenäen bis zur Loire vor. Die maurischen Frauen waren Ziegenhirtinnen und verarbeiteten die frische, leicht verderbliche Ziegenmilch gekonnt zu Käse. Ihre Zeit an der Loire währte allerdings nicht lange: 732 wurden sie von Karl Martell vertrieben und mussten auf ihrer Flucht alles zurücklassen, einschließlich Frauen und Ziegen. So übernahmen die ansässigen Bauern nicht nur ihre Tiere, sondern wurden auch mit den Damen verheiratet. Somit kamen ihre Techniken und Fertigkeiten der Ziegenkäseherstellung in die Region. Noch heute erinnern Käsenamen wie der „Saint Maure“ an die Zeit der Besatzung durch die Mauren, durch deren Einfluss diese Region aber erst zu einem der bedeutendsten französischen Ziegenkäsegebiete Frankreichs werden konnte!